Die Bonifatiuslinde auf Oberrod

 

aus alter Zeit von Heinrich Dahmer

geboren in Liederbach den 14. Nov. 1859 
gestorben in Darmstadt den 20. Mai 1953

Bonifatiuslinde

Bonifatiuslinde

 


Gepflanzt von des Apostels Hand Bonifatiuslinde
Im Namen der Dreieinigkeit,
Trotzt ihrer Wurzel Kraft
Schier der Vergänglichkeit.

Doch alters morsch und hohl der Stamm
Zu schwach die Last zu tragen,
Brach er zusammen in den Tagen
Da auch das deutsche Volk
Den Bruch des Reiches musst beklagen.

Der Wurzelstock jedoch
Treibt unermüdlich Sprossen,
Symbol der Hoffnung
Deutscher Volksgenossen.

In diesen Stamm, den hohlen
Trat ich einst ein
Wie in ein heimlich Kämmerlein,
Um da zu rasten und zu lauschen,
Zu deuten mir das Wispern
Und der Blätter Rauschen.

So meint ich zu hören, sekundenlang
Leise verklingenden Nonnengesang,
Im Winde ein Wimmern das Tal entlang
Wie eines fernen Glöckchens Klang.

Ein Traumbild schau‘ ich:
Wallfahrende Pilger.
Sie singen und beten,
Knien nieder am Boden,
Den der Heilige betreten.

Doch nun entschwindet der lange Reigen,
Und plötzlich ist um mich ein tiefes Schweigen,
Nur ein Seufzen hin und wieder
Durch die Linde geht,
Wie himmlischer Seelen leises Gebet.

In Elend und Krieg war das Land versunken,
Viel Tränen und Blut hat der Boden getrunken,
Doch aus Oberrods Trümmern ragt unversehrt,
Die heilige Linde, auch vom Feind geehrt.
Und mit ihr der Taufstein, vom Apostel geweiht,
Er trotzte wie sie, dem Zahn der Zeit.

Leis’ rauschen die Blätter im heiligen Baum,
Es kündet mir Frieden ein seliger Traum.
Hinüber darf schauen die Seele einmal,
In’s Land der Verheissung, ohn’ alle Qual.